SQUARE Talks #04: Jonas Lüscher
Gast in Folge vier von SQUARE Talks ist der Schriftsteller Jonas Lüscher. Im Zentrum steht die vielschichtige Beziehung zwischen Literatur und menschlicher Erfahrung, wie sie von ihm geprägt und reflektiert wird. Mit Literaturhaus-Leiterin Anya Schutzbach und Corinne Riedener spricht er über sein aktuelles Werk und die tiefgreifenden Themen, die es durchziehen, insbesondere das Spannungsfeld zwischen Technologie und menschlicher Verletzlichkeit. Ausserdem beleuchtet das Trio die Herausforderungen und Feinheiten des modernen Schreibens und die ökonomischen Realitäten, mit denen Autor:innen heute konfrontiert sind.
Das Gespräch wurde am 1. April 2025 im Rahmen von Lüschers Aufenthalt als Artist in Residency am SQUARE der Universität St.Gallen geführt.
Transcript
Square Talks, unser Podcast mit den Personalities und Artists in Residence.
Ja, schön, dass wir uns treffen zur vierten Ausgabe unseres Podcasts mit den Personalities und Artists in Residency im Square.
Heute haben wir zu Gast den Schriftsteller Jonas Lüscher und und neben mir sitzt auch noch Anja Schutzbach, die Leiterin des Literaturhauses St. Gallen. Diese Residency von Jonas ist in Zusammenarbeit mit dem Square und dem Literaturhaus St. Gallen entstanden. Ja, Anja, wie geht's dir?
Anya:Mir geht's gut, weil ich Jonas gegenüber sitze hier, den ich seit wann war das letzte Leukerbad, vorletzte Leukerbad Festival? Das ist sechs Jahre her, da habe ich dich gesehen. Mit deinem letzten Buch meine ich.
Jonas:Das kann sein, ja.
Anya:Und jetzt war es natürlich mein unbedingter Ehrgeiz, als dieses Buch erschien. Die verzauberte Vorbestimmung, dich mit diesem Buch nach St. Gallen zu locken ins Literaturhaus. Und dann schön, dass das Square, die Uni St.Gallen sich da gleich dran gehängt haben, denn mir liegt viel an dieser Verbindung, die noch nicht besteht zwischen den beiden Institutionen. Und du machst gewissermaßen den Auftakt.
Jonas:Sehr gut.
Anya:Okay, ich fange an mit etwas gewissermaßen zum Aufwärmen, Jonas, das vermutlich gar nicht dein Ding ist.
Warum es das ist, ist zu ahnen, wenn man dieses Buch gelesen hat, denn es ist so ein bisschen Schwarz Weiß Ping Pong, um deine Person so herauszuschälen aus allem, was um dich herum jetzt gerade so in der Welt ist. Ich Ich gebe dir drei Begriffspaare und du spontan wählst eins der beiden, was mehr zu dir gehört, was ich weniger.
Jonas:Schlimm finde, was du weniger schlimm findest.
Anya:Was eher deins ist.
Jonas:Okay, wir probieren es.
Anya:Illusion, Präzision.
Jonas:Spontan, spontan. Ja, aber das ist eben genau über solche Dinge muss man ja nachdenken. Nein, der Schriftsteller denkt nach, aber ich bin halt Schriftsteller.
Also sehr wahrscheinlich finde ich Illusion wichtiger, zumindest für das Schreiben.
Anya:Danke. Das nächste ist digital, analog, analog und das ewiges Leben, Sterblichkeit, Sterblichkeit.
Jonas:Das ist gar keine Frage. Das ist leicht zu beantworten.
Anya:Du ahnst, warum ich diese Begriffe gewählt habe, denn es sind die, mit denen du dich natürlich auch im Buch befasst und das überhaupt nicht so schwarz weiß malst. Aber dazu kommen wir nachher noch. Aber die letzte Frage in dem Kontext Bist du ein Schweizer Schriftsteller oder ein deutscher Schriftsteller?
Jonas:Ganz klar beides. Also das kann ich nicht anders beantworten.
Ich bin jetzt auch ziemlich genau gleich lang in Deutschland, wie ich in der Schweiz gelebt habe, mittlerweile bereits bisschen länger in Deutschland, als ich je in der Schweiz gelebt habe.
Hab beide Staatsbürgerschaften, bin sicher irgendwie von Schweizer Literatur, meiner Schweizer Erziehung und meiner Schweizer Schulbildung geprägt, aber ebenso sehr geprägt von meinem eigentlich ganzen Erwachsenenleben, was ich in Deutschland verbracht habe.
Corinne:Und hast du dich schon immer als Schriftsteller empfunden oder gibt es einen Punkt, wo du wirklich gesagt hast, jetzt bin ich Schriftsteller?
Jonas:Ja, als das erste Buch dann erschienen ist, das ist ja immer so ein bisschen ein Problem. Man schreibt schon jahrelang, aber sich als Schriftsteller zu bezeichnen, das traut man sich hoffentlich erst, wenn ein Buch erschienen ist.
Corinne:Es braucht eine ISBN Nummer um sich Schriftsteller.
Jonas:Ich glaube, es braucht eine ISBN Nr. Das stimmt.
Anya:Ich würde widersprechen als ehemalige Verlegerin. Nicht alles, was eine ISBN Nummer trägt, ist von jemandem geschrieben, den ich als Schriftsteller bezeichne.
Jonas:Also umgekehrt gilt es nicht.
Aber, aber ich hatte schon immer den Eindruck, ich habe ja jahrelang schon geschrieben und es kam natürlich schon so ein Moment, ich hatte ja schon vor dem Frühling der Barbaren einen dicken Roman geschrieben, acht Jahre lang, den ich aber nie rausgebracht hab, für den ich aber schon einen sehr guten Agenten hatte. Und ab und zu hieß es auch mal, hatte ich sogar auch Gespräche mit Verlegern und so.
Und natürlich ab dem Moment, wo ich wusste, doch, das interessiert irgendwie Leute und so, war schon ein bisschen klarer, dass ich jetzt irgendwie Schriftsteller werde zumindest Du.
Corinne:Hast ja dann deine Dissertation oder dein Schriftstellerdasein, darunter hat dann deine Dissertation nicht gelitten, aber die ist dann nicht erschienen schlussendlich. Du sagst auch, dass du dich den großen Fragen oder wir uns den großen Fragen als erzählende Gesellschaft annähern sollten.
Ist die Literatur für dich ein Vehikel, um breiter anschlussfähig zu sein, im Gegensatz jetzt zur klassischen Philosophie oder den Akademien?
Jonas:Ja, ich meine nicht zwingendermassen, weil dieses Buch, was ich da geschrieben habe, jetzt dieser Roman ist jetzt auch nicht der einfachste. Das ist mir schon klar, dass der jetzt nicht zu einem großen Bestseller wird, der sich in aller Breite verkauft.
Also auch ich schreibe natürlich für ein bestimmtes Publikum, aber ich glaube, es ist eine ganz andere Herangehensweise, als eine wissenschaftliche Wissenschaft will eben erklären und Literatur will erzählen.
Und das sind schon zwei unterschiedliche Weltzugänge die aber beide, und das ist mir, glaube ich, wichtig, zu so etwas wie einem autoritativen Wissen führen können. Ein verlässliches Wissen letzten Endes.
Corinne:Also ich verstehe dich richtig.
Du hast auch nicht den Anspruch, ein Buch für so viele Leute wie möglich zu schreiben, deine Gedanken wirklich mit allen zu teilen, sondern du denkst schon auch an ein bestimmtes Publikum, wenn du schreibst. Denkst du überhaupt an ein Publikum?
Jonas:Nein, ich denke überhaupt nicht an ein Publikum. Das fände ich seltsam. Ich schreibe eigentlich ein Buch für mich.
Ich schreibe das Buch, das ich schreiben will, ein Buch, von dem ich glaube, dass ich es gerne lesen würde. Ein Buch, was mir hilft nachzudenken. Oder es ist eine Form des Nachdenkens, das Schreiben.
Und letzten Endes muss ich das Buch schreiben, das ich schreiben muss und schreiben will. Und ich würde eine ganz andere Form von Literatur machen.
Vielleicht wäre es dann auch gar nicht unbedingt Literatur, wenn ich irgendwie ein Publikum erreichen will, was man durchaus darf. Das ist auch legitim, aber ich würde mich von dem schon abgrenzen.
Also das ist einfach was ganz anderes, wenn ich schreibe, um auf der Bestsellerliste zu landen oder viel Geld damit zu verdienen oder ob ich eben literarisch schreibe, um etwas rauszufinden. Das ist schon grundsätzlich eine andere Einstellung gegenüber dem Schreiben und auch, glaube ich, eigentlich eine andere Lebensform.
Anya:Wir hatten hier am Wochenende das Wortlaut St.
Galler Literaturfestival und es gab ein wahnsinnig interessantes kleines Podium, eigentlich ein Zwiegespräch zwischen Peter Stamm und Judith Herrmann. Und die haben sich darüber ausgetauscht, über diese Art des Schreibens, die du jetzt ganz grob angedeutet hast.
Das heißt wirklich, dass Rückzug in sich gehen, die Dinge verhandeln, die man verhandeln muss, um dann ein Buch zu schreiben und nicht quasi mit dem Blick auf die Leserschaft, auf die Bestsellerliste Stoff zu produzieren.
Und Judith Herrmann hat so einen schönen Begriff gebracht, in die Diskussion gebracht, dass es heißt, schreibt auch schwere Pflastersteine hochzuheben, gucken, was darunter liegt, es zu entdecken und dann den Pflasterschein wieder draufzulegen und nicht darüber zu schreiben.
Und ist dein Schreiben auch so zu verstehen, dass du so viel sammelst in dir, was sich aufstaut, was dann auch geschrieben werden muss und dass du das aber nicht ausbuchstabierst, dass du Dinge in der Schwebe lässt und uns das als Leserinnen und Lesern auch dann zumutest, weil eine andere Art von Fluidum dann doch das trägt, was du, was dich getragen hat beim Schreiben.
Jonas:Ja, also auslassen ist sicher wichtig. Das, was man nicht schreibt, ist fast so wichtig wie das, was man schreibt.
Aber ich denke sehr lange über die Dinge nach und bis ich dann ins Schreiben komme und so ist das, was dann da ist, geschrieben. Das ist dann schon meistens etwas, was ich für wichtig halte.
iten Bücher machen, aber mal:Ich schreibe wirklich nur das, was ich dann auch abgebe, schreibe es dafür sehr langsam, aber ich kann das Bild schon verstehen. Also ja, dass man, also Pflastersteine aufheben ist auf jeden Fall gut, drunter gucken ist auch sehr gut.
Ich frage mich gerade, mit dem Pflasterstein wieder hinlegen, Muss man die nicht werfen? Ja, eigentlich schon, oder Komm her, schmeiß einen Pflasterstein.
Anya:Darf ich noch ganz kurz eine eher banale Frage anschließen dieses Schreibens und nur Schreibens und Bücher schreiben müssen? Tust du denn neben dem Schreiben eigentlich noch was anderes, Jonas?
Also machst du Dozenturen oder arbeitest du nebenbei als Tennislehrer oder bist du jemand, der wirklich nur schreibt im Rückzug oder der auch immer wieder sich als eine andere Person in die Öffentlichkeit schmeißt?
Jonas:Ich mach Podcasts ab und zu.
Anya:Der Wiffelte ist das heute.
Jonas:Tatsächlich mache ich gar nicht so viele Podcasts, aber so Sachen wie jetzt hier. Das in der Art mache ich natürlich schon viel. Und das ist ja auch für die meisten von uns überlebenswichtig.
Also viele von uns leben von Lesungen, von Auftritten, davon, sich irgendwie in der Öffentlichkeit zu melden.
Das ist auch ein bisschen ein Vorteil deutschsprachiger Schriftsteller innen, weil es eigentlich nur in der deutschsprachigen Welt bezahlte Lesungen gibt. Das gibt es sonst fast nirgends.
Und darum können eigentlich im deutschsprachigen Raum erstaunlich viele Leute vom Schreiben leben, mehr als woanders, würde ich sagen. Ich unterrichte auch ab und zu mal. Jetzt hatte ich gerade eine Gastprofessur in Leipzig an einem deutschen Literaturinstitut.
Das mache ich schon auch, aber das ist dann auch etwas, was ich voll machen muss, wo ich dann nebenher schlecht schreiben kann. Also ich brauche in den Phasen, wo ich schreibe, schon dann Zeit und Konzentration.
Corinne:Das ist ja auch eine einsame Tätigkeit und vor allem auch eine Tätigkeit, die einen hohen Grad an Selbstorganisation erfordert. Fällt dir das schwer?
Jonas:Ja, schon. Ja. Also ich bin schon so jemand, der gar nicht so wahnsinnig gerne schreibt.
Wie viele Schreiben ist für mich schon etwas, wozu ich mich in gewisser Weise zumindest anfange zu schreiben, muss ich mich immer irgendwie zwingen.
Ich neige auch dazu, in der Früh erstmal stundenlang um den Rechner rumzuschleichen, aus Furcht davor, das zu lesen, was ich am Tag vorgeschrieben hatte und so. Das ist immer ein bisschen ein Kampf.
Corinne:Das Schreiben, das Schreiben von Literatur ist etwas, was dir manchmal schwerfällt. Wie hast du es mit dem Sprechen über Literatur? Sprichst du gern darüber, über dein eigenes Schreiben und auch das der anderen?
Jonas:Ja, nicht ungern. Ich finde, über das eigene Schreiben sprechen zu müssen, kann interessant sein.
Ich hatte ja hier an der HSG 19 diese Poetikvorlesung und das war schon gut, einfach mal so lange darüber nachzudenken, was man eigentlich macht, was ich eigentlich will und weshalb ich es so mache, wie ich es mache. Das finde ich schon sehr wertvoll. Ich finde es auch wertvoll, mit Kolleginnen und Kollegen zu reden. Das passiert leider zu selten.
Klar, über Bücher reden ist immer was Schönes, wobei ich eine Art habe, über Bücher zu reden, von der ich sagen würde, dass sie geprägt ist von meinem Lesen und von meinem Schreiben, weil ich nie Literaturwissenschaften studiert habe. Also ich habe überhaupt kein akademisches Vokabular, um über Literatur zu reden. Oder wenig, merke ich.
Anya:Aber du musst ja jetzt, nachdem auch das Buch erschienen ist und du auf Lesetournee bist und so, du musst ja immer wieder über dein Buch reden. Und da interessiert uns und vielleicht auch die Hörerinnen und Hörer, wie das so ist, wenn man die 18.
Lesung hat und in der Regel ja mehr oder weniger zu so und so viel Prozent die gleichen Fragen gestellt bekommt. Wie ist das mit der Routine im Beantworten dieser Fragen? Ist das angenehm, weil etwas in dir sich zurücklehnt und du spulst deinen Text ab?
Oder ist es mühsam oder lässt du dir immer was anderes einfallen?
Jonas:Ja, es ist schon ein Problem von diesen langen Lesereisen, weil ich schon, wenn ich dann an einem Abend genau dasselbe erzähle, was ich am Abend zuvor auch schon erzählt habe. Ich fühle mich dann schon immer so ein bisschen wie ein kleiner Betrüger.
Also ich hoffe dann immer, dass man, ich gucke dann schon ins Publikum, ob da jemand sitzt, der gestern schon da saß oder so.
Ist nicht besonders schön, weil man muss das ja auch noch mit einer gewissen Überzeugungskraft sagen und man tut natürlich immer ein bisschen so, als hätte man sich's gerade ausgedacht. Das ist ein Problem.
Aber das Interessante ist, dass das bei diesem Buch auf dieser Lesereise ein kleineres Problem ist als auch schon, weil dieses Buch so wahnsinnig viele Themen bearbeitet und die Moderatorinnen dann doch sehr individuell auswählen, was sie interessiert.
Da gibt es dann welche, die wollen irgendwie ganz lange über die Frühindustrialisierung und die Weberaufstände reden, andere wollen über diesen Briefträger reden, andere sind irgendwie große Peter Weiß Fans und möchten eigentlich nur über Peter Weiß reden und so. Das heißt, die Lesungen sind abwechslungsreicher als bei meinen alten Büchern.
Vor allem bin ich nicht so Spezialist für ein Thema, weil mit Frühling der Barbaren wurde ich dann irgendwie sehr lange rumgereicht als Finanzkrisenerklärer und dann als Silicon Valley Erklärer mit Kraft und das ist hier schwieriger.
Anya:Was ist deine Lieblingsstelle oder dein Lieblingsthema aus diesem Pool an Themen, dass dieses Buch da in sich trägt?
Jonas:Das kann ich, glaube ich, gar nicht so sagen.
Es gibt einfach vielleicht Stellen oder Themen, die leichter sind für ein Publikum sicher über diese Weberaufstände, also das vorzulesen, weil das ja auch ein leichter Teil ist, ein sehr erzählerischer Teil, ein auch lustiger Teil. Das funktioniert natürlich gut. Also gerade in der Schweiz über Peter Weiß reden ist nicht so leicht.
In den neuen Bundesländern über Peter Weiß reden ist manchmal leichter. Da habe ich interessanterweise fast die größten Anhänger gefunden. Es kommt natürlich sehr darauf an.
Oder lese ich an einer geisteswissenschaftlichen Fakultät, dann sind es auch andere Themen. Das kommt sehr darauf an eigentlich. Aber ich kann nicht sagen, das eine oder das andere ist mir irgendwie näher.
Anya:Oder lieber Stichwort Peter Weiß würde ich noch gerne was anhängen. Corin die Studierenden hier an der Uni St. Gallen.
Wenn du denen jetzt von Peter Weiß erzählst, möglicherweise auf dem Panel nachher oder in einem Gespräch sich so etwas ergibt, welchen Titel von Peter Weiß würdest du ihnen so zum Einstieg gewissermaßen empfehlen.
Jonas:Ja, ich glaube schon. Der Schatten des Körpers des Kutschers, das ist ja das Buch, was eigentlich die größte Rolle spielt hier in meinem Roman.
Das finde ich ein guter Einstieg. Ich meine, die Ästhetik des Widerstandes kann man jetzt nicht leichtherzig jemandem empfehlen. Das ist einfach wirklich ein Massiv von einem Buch.
Das ist schon der Wahnsinn. Ja, und das ist wirklich, also das ist ja schon so eine Bleiwüste. Das hat ja keine Absätze und nichts.
Da guckt man rein und wenn man jetzt kein ganz großer Leser ist, dann wird man vielleicht schnell entmutigt. Wobei auch das natürlich eine großartige Lektüre ist. Und ich würde sehr empfehlen, dass man sich die Ermittlungen anschaut.
Das wurde ja letztes Jahr neu verfilmt und kam in Deutschland ins Kino. Ich weiß gar nicht, ob es in der Schweiz auch lief. Ganz großartige Verfilmung.
Es gibt zwei Fassungen, eine dauert, glaube ich, knapp drei Stunden, eine irgendwie viereinhalb oder so.
Das würde ich jetzt wirklich Studierenden sehr empfehlen, weil diese Auschwitz Protokolle, das ist schon nach wie vor wichtig und eindrücklich und es ist wahnsinnig gut gemacht, weil es sehr zurückhaltend gemacht ist.
Es ist praktisch fast so, es erinnert von der Macharta her vielleicht so ein bisschen an Lars von Trier, Dogville oder so, ganz einfach in einem Fernsehstudio ohne sind ganz abstrakte Möbel und man sieht die Lampen und sowas. Es ist gar nicht der Versuch, einen Realismus herzustellen. Und das funktioniert gut anders als the Zone of Interest, komplett anders.
Aber ich habe die Filme interessanterweise, ich glaube, fast in derselben Woche gesehen oder sehr kurz aufeinander und fand sie gerade in der Kombination ganz großartig, weil sie so was anderes versuchen. Und ich trotzdem sagen würde, das sind natürlich beides wahnsinnig wichtige Filme.
Corinne:Ich würde gerne noch mal einhaken bei den Kritikerinnen und bei den Lesungen.
Es ist ja erstaunlich, wenn man so, als ich die Kritiken durchliest, 80 Prozent aller, die das geschrieben haben, fragen, was will der Lüscher eigentlich mit diesem Buch? Selbst die Frau Heidenreich, die sonst immer alles weiß und zu allem eine Meinung hat, versteht nicht, worum es geht.
Und mich würde es interessieren, was denn du diesen Leuten sagen würdest. Was ist die Essenz, worum es geht?
Jonas:Ja, das ist natürlich eine seltsame warum geht es ihm oder was will er uns sagen, Dass jetzt Frau Heinrich so reagiert hat, wie sie reagiert hat, das ist ja irgendwie nicht erstaunlich, wenn man ihre Literatur kennt und ihren Geschmack kennt und so. Aber ich würde ein bisschen widersprechen, dass 80 Prozent Kritiker so reagiert haben.
Ich würde sagen, eigentlich ist das Gegenteil passiert, weil ich finde, die Kritik war überraschend und erfreulich, weil sie sich wahnsinnig um das Buch bemüht hat.
Also in der Schweiz sicher Daniel Graf von der Republik, der, ich glaube, man muss fast eine halbe Stunde lesen oder so ein Riesending geschrieben hat, wahnsinnig tief reingegangen ist und so. Und diese Frage natürlich gar nicht stellt, sondern sie für sich beantwortet.
Das muss ja ein Kritiker eigentlich und genauso in vielen anderen Zeitungen, im Deutschlandfunk, die wichtigsten deutschen Zeitungen, NZZ auch, finde ich, weil das eher heutzutage ein bisschen ein Problem ist, dass oft die Kritiken sehr oberflächlich sind, weil die Leute, ehrlich gesagt, vor allem die freien Kritiker, einfach auch zu wenig verdien, um überhaupt sich mit einem Buch richtig auseinanderzusetzen und die Feuilletonchefs ja mittlerweile gerne so irgendwelche Schriftstellerportraits haben, wo sie dann mit dem Schriftsteller durch den Hamburger Hafen latschen und Möwen füttern oder so. Dass es so eine solide und ernsthafte Auseinandersetzung im Feuilleton mit diesem Buch gab, das fand ich eigentlich sehr ermutigend und.
Corinne:Erfreulich und höre ich raus auch ein bisschen überraschend.
Jonas:Es war für mich jedenfalls nicht selbstverständlich. Dieses Buch war, was das angeht, ein Risiko, weil ich mir nicht klar war, wie die Leute darauf reagieren. Das war schon erfreulich.
Aber es war auch so ein Buch, wo als ich fertig war, war ich irgendwie viel mehr als mit alten Büchern relativ im Reinen mit mir. Ich war mir sicher, dass das das Buch ist, was ich schreiben wollte.
Und es war mir fast so ein bisschen, also es sei natürlich nicht wurscht, wie ein Buch aufgenommen wird, aber es hat mich fast weniger interessiert als bei anderen Büchern, weil es war einfach wichtig, dass ich das so geschrieben hatte. Hat.
Corinne:Vielleicht eine wilde these, aber auch damit zu tun, dass du natürlich eine wahnsinnig existenzielle Erfahrung gemacht hast zwischen dem letzten Buch und diesem Buch, was jetzt erschienen ist. Du bist ja schwer an Corona erkrankt.
Das macht ja auch was mit einem, dass das vielleicht dann nicht mehr so schlimm ist oder so relevant ist, wie die Kritiken dann sind.
Jonas:Ja, das wäre schön, wenn einem das in die Richtung so abhärten würde.
Aber ich glaube, das war gar nicht der Grund, sondern der Grund, warum ich damit im Reinen war, als ich so den letzten Satz geschrieben habe, ist, weil ich gemerkt habe, ich habe mich mit diesem Buch in vielerlei Hinsicht freigeschrieben, also vor allem in formaler Hinsicht auch, und habe mit diesem Buch etwas geschafft, was neu ist, also auch für mich neu war, aber trotzdem kein Bruch mit dem, was ich vorher gemacht habe, sondern also gerade wenn man in diese St.
Galler Vorlesung reinliest, die ja auch publiziert ist, ins Erzählen flüchten, wenn man da reinliest, dann ist da von der Poetologie schon ganz viel drin, was mich interessiert, was sich hier eigentlich dann sozusagen im Schreiben ausprobieren konnte.
Das war noch nicht mal, ich habe mich jetzt nicht hingesetzt und gesagt, ich will jetzt ein Buch schreiben, das ist so und so, weil da habe ich in St.
Gallen drüber geredet und drüber theoretisiert und jetzt will ich sozusagen das Exempel am Roman probieren, sondern das ist einfach relativ organisch so gewachsen, dass ich dieses ganz offene Schreiben gefunden habe, was auch nach außen offenes und irgendwie in seiner Struktur, glaube ich, auch Probleme des Romans in gewisser Weise überwindet oder versucht etwas Neues zu machen.
Corinne:Das klingt so nach diesem Zustand, den sich jede Schriftstellerin irgendwie wünscht, so dieses in sich zu Hause sein beim Schreiben und die Freiheit finden im Schreiben, So stelle ich mir das vor.
Jonas:Ja, wobei der Zustand, also der Prozess des Schreibens war gar nicht so, der Prozess des Schreibens ist immer wahnsinnig zweifelbehaftet und alles, aber ich erinnere mich lebhaft, dass als ich im letzten Frühsommer fertiggeschrieben habe und ich schreibe ja wirklich in der Regel Bücher, ich fange mit dem ersten Satz an und ende mit dem letzten Satz, oder ja, bei dem war es zumindest so. Bei denen vorher hatte ich meistens den letzten Satz auch schon sehr früh, aber alles dazwischen nicht.
Auf jeden Fall schreibe ich recht journalogisch und hier, ich habe den letzten Satz geschrieben und es überkam mich tatsächlich eine Ruhe. Das habe ich so auch noch nicht erlebt.
Anya:Man kann in jedem Fall sagen, glaube ich, man hat den Eindruck, dass du dich mit diesem Buch auf gar keinen Fall in irgendeine Richtung kompromittiert hast, dass du einfach das geschrieben hast, was du schreiben musstest, dass du nicht Rücksicht genommen hast auf mögliche Deutungen, Leserschaften, Bestsellerlisten, Preise. Den Eindruck hat man doch stark, weil es ist in gewisser Weise eine Zumutung. Es ist ein ziemlicher Ritter, den du uns mitnimmst.
Man geht da mit, weil man irgendwie das volle Vertrauen hat als Leserin, als Leser, dass du das kannst. Es war so ein schönes Gefühl bei der Lektüre.
Jonas:Ja, das ist schön, wenn du das so sagst. Und ich glaube, vielen geht es so, die lassen sich so drauf ein und wollen damit.
Und dann weiß ich aber auch von Leuten, die sich da nicht drauf einlassen können, weil sie irgendwas daran abstößt oder was immer es ist und dann funktioniert das Buch halt nicht. Dann geht's wahrscheinlich nicht.
Corinne:Dann nervt sie wahrscheinlich Lesegewohnheiten zu tun haben, wie man sich darauf einlässt.
Jonas:Oder ich weiß von Leuten, die zum Beispiel beim Lesen immer genau wissen wollen, warum jetzt etwas genau so ist, also nach so einer ganz logischen Hermeneutik suchen und alles muss immer Sinn machen.
Und wenn man immer auf dieser Sinnsuche im Lesen ist und das immer aber auch so was Logisches haben muss oder was gut Begründetes, dann wird dieses Buch schwierig.
Man muss schon bereit sein, so mal zu sagen, jetzt schaue ich mal, wo er mich hinnimmt und ah, schau, das ist ein Motiv, das taucht jetzt hier wieder auf, aber ich weiß gar nicht genau, wie das verbunden ist. Vielleicht finde ich später noch raus, vielleicht auch nicht.
Anya:Es ist eine Wie sind wir sozialisiert, wie ist unser Gedenken konditioniert, wie ist unsere Leseerfahrung geprägt?
Und ich glaube, dieses Abdriften und sich von so einem Taxifahrer einfach mal irgendwo hinfahren zu lassen, ohne genau zu wissen, ob der jetzt weiß, wo ich hin will, diese Erfahrung, wenn man die ein, zwei Mal gemacht hat, dann lässt man sich immer wieder gerne auf sie einfach.
Aber ich möchte das im weitesten Sinne aufgreifen, das auf ein Publikum hinschreiben, müssen es möglicherweise auch aus ökonomischen Gründen, denn ich würde gerne mit dir hier vor allem in diesem Podcast auch über die ökonomischen Lebensrealitäten von Schriftstellerinnen und Schriftstellern sprechen. Das ist nämlich in der breiteren Bevölkerung gar nicht so bekannt. Von was lebt eigentlich ein Autor, eine Autorin?
Und du hast es eben angedeutet, ihr lebt natürlich auch mehr noch von den Lesehonoraren als von dem Erlös am einzelnen Exemplar. Verkauften Exemplar kannst du sagen aus der Hosentasche.
Was verdienst du an einem verkauften Buch hier, was 26 Euro in Deutschland und in der Schweiz vermutlich knapp über dreiig Franken kostet?
Jonas:Ja, der Schweizer Buchpreis spielt keine Rolle, sondern es geht immer noch zum Deutschen, wenn man einen Deutschen verlagert. Also diese 26 Euro üblich sind 10 Prozent des Ladenpreises, also 2,60.
Ich habe einen guten Vertrag, wo ich noch so ein kleines Erfolgspronomat oder eine kleine Staffelung habe. Das ist ein bisschen mehr wert, wenn ich sehr viel verkaufe, was bei dem Buch jetzt nicht so das Risiko ist für den Verlag.
Aber in der Regel sind es diese 10 Prozent des Ladenverkaufspreises, des Nettoladenpreises.
Anya:Da sind ja nochmal 7 Prozent weniger.
Jonas:Beim Buchpreis ist es so, ja, ich.
Anya:Glaube, ich glaube wir sind noch bei 7 Prozent für Bücher.
Aber ja, das ist Und dann muss man schon mal, sagen wir mal Bücher verkaufen, um auf eine Summe zu kommen, die dein Jahresgehalt gestreckt über die letzten 5 Jahre ausmachen.
Jonas:Ja, ich habe jetzt 8 Jahre gebraucht für das Buch sozusagen und Exemplare ist wahnsinnig viel. Es verkaufen ganz ganz wenige. Also das ist eine Handvoll, also literarische Autoren, die Bücher verkaufen.
ie sind happy, Wenn ein Roman: Anya: sagen wir Der Bestseller vor: Jonas:Ja, also das sind schon so kann man schon verkaufen, wenn es gut läuft. Es gibt auch Leute, wie heißt sie Juli C. Oder so, ich glaube, die verkauft immer ihre weiß ich nicht, zwei nehme ich an, ich habe keine Ahnung.
Aber sicher in den er sehr wahrscheinlich bei den die gut laufen, wenn man einen deutschen Buchpreis kriegt, dann geht es dann auch meistens über außer das Buch ist wirklich wahnsinnig schwierig. Dann gibt es Leute wie Caroline Wahl oder so, die diese Art von Literatur schreiben, die dann auch mal verkaufen.
Aber das ist wirklich, also bei den wirklich literarischen Autoren und da würde ich jetzt ja, da würde ich jetzt Juli C.
Auch noch dazuzählen und Daniel Kehlmann, solche Leute, Christian Kracht, da gibt es, ich weiß es nicht, zwei Handvoll, die im deutschsprachigen Raum wirklich gut davon leben.
Corinne:Eine Strategie, um auf die Bestsellerlisten zu kommen, ist ja auch so früh wie möglich mit dem Vorverkauf anzufangen, habe ich kürzlich gelesen.
Wenn man irgendwie schon wie Monate zuvor Werbung machen kann für ein Buch, dann gibt es viele Vorbestellungen und dann landet man gerade schon mal, zumindest in der ersten Woche auf der Spiegel Bestsellerliste. Ist das ein Gerücht?
Jonas:Ich glaube, so funktioniert es nicht.
Ich glaube, was wirklich hilft für die Bestsellerliste ist, wenn der Verlag viel Geld in die Hand nimmt und die großen Buchhandelsketten, Thalia und so, die bezahlt, damit die vorne auf die Tische kommen und so die Bücher, das hilft.
Corinne:Aber dann ist man ja auch nur vielleicht eine Woche oder zwei auf dieser Liste. Und dann ist wieder vorbei.
Jonas:Dann ist glaube ich so bissl, wenn man unter die ersten 10 kommt, dann ist man eben in allen Buchhandlungen, die diese Bestsellerliste so feiern, ist man dann auf dem Bestsellerregal, steht am Eingang kistenweise oder stapelweise und dann ist das sozusagen, dann pflanzt sich das so ein bisschen selber fort, Aber da musste man erst auf diese ersten zehn Plätze kommen und dann kriegt es eine Eigendynamik. Aber letzten Endes würde ich sagen, also ich bin vielleicht gar nicht der richtige Gesprächspartner dafür, weil ich darüber wenig nachdenke.
Anya:Weißt du was, ich schlage vor an der Stelle, dass wir mal einen Podcast machen über Verlegerei und Buchmarkt.
Das sind ganz trickreiche Geschichten im Geschäft, im Hintergrund und die Mechanismen letzten Endes Autoren meistens bewahrt, weil wenn sie sich darüber auch noch den Kopf zerbrechen müssten, dann wäre es Argument, ich finde, dafür.
Jonas:Habe ich einen Verlag, das können die machen und da kann ich mich verlassen, dass sie es gut machen. Das ist natürlich so, wenn man keinen guten Verlag hat, dann hat man das Gefühl, man müsste das selber machen, das kommt auch nicht gut.
Und letzten Endes ist es ja interessant, dass niemand wirklich weiß, was sich dann gut verkaufen wird und was nicht.
Also es gibt natürlich so Tricks oder Rezepte, die sich in den letzten Jahren bewährt haben am meisten, nämlich man sucht sich jemand, der schon berühmt ist und viele Follower hat auf Social Media und fragt ihn, ob er einen Roman schreibt, so wie dieser Fußballer, jetzt heißt er Kramer, glaube ich, ist, glaube ich, Bestseller Nummer eins in Deutschland und war der Hit auf der Buchmesse, musste der, also überall hat er die Hallen gefüllt und so. Das ist ein weltberühmter ehemaliger Fußballer, der jetzt einen Roman geschrieben hat.
Anya:Schau, wir beide wohnen in der Schweiz und wir wissen, glaube ich, von diesem Buch beide nichts.
Und deswegen möchte ich dir die, Aber ich wollte keine Fussballfrage stellen, sondern etwas, was ich mir schon aufgeschrieben hatte, weil du als Deutsch Schweizer Schriftsteller ja beide Buchmärkte kennst. Und ist da für dich ein Unterschied?
Siehst du, dass es in der Schweiz mit der Literatur irgendwie anders funktioniert, dass hier andere Titel am Start sind als in Deutschland? Siehst du da einen Unterschied?
Jonas:Ja, schon. Und das ist natürlich auch ein Problem, weil halt der Schweizer Markt zu klein ist.
Und es gibt ja schon Kolleginnen und Kollegen, die sozusagen, das klingt so spöttisch, aber der Begriff schön in der Schweiz weltberühmt sind, die aber nicht so richtig rauskommen.
Es hat manchmal auch mit Schweizer Verlagen zu tun oder sehr mit Schweizer Themen, wenn sie Mundart schreiben sowieso, aber dann ist es eh klar, dann erwarten sie auch nichts anderes.
Aber es gibt schon diese Leute, die in der Schweiz waren, sie nicht gut verkaufen und bekannt sind zum Beispiel Evelyn Hassler, die, glaube ich, jeder Roman in der Schweiz Bestseller ist.
Anya:Gabi Hauptmann kennt hier niemand. Ich wollte mal Gabi Hauptmann hierher einladen und dachte, die Buchhandlungen freuen sich jetzt, die den Büchertisch machen dürfen.
Dann sagten die oh, Gabi Hauptmann, verkaufen wir ihr überhaupt nicht.
Jonas:Und sie wohnt in konstant unterschiedlich. Manchmal sind es deutsche Autoren. Jetzt wie heißt der Karim mit dem Buch über die Schwäne? Peinlich, dass wir das jetzt nicht wissen.
Auf jeden Fall, da merke ich gerade, das schneiden wir noch raus und googeln das. Kann das jemand schnell googeln.
Anya:Diese Fälle. Aber es sind wenige.
Jonas:Es gibt deutsche Autoren, die dann plötzlich in der Schweiz irgendwie superfood funktionieren und dann gibt es welche, die in beiden Ländern gleich funktionieren. Das ist irgendwie schwierig. Und dann ist noch mal in der Schweiz die Schwierigkeit der Sprachräume, was auch so ein interessantes Thema ist.
Corinne:Wir haben ja auch mehrere Märkte in der Schweiz.
Jonas:Eben. Genau.
Es sind mehrere Märkte und interessanterweise muss man in der Regel in der Schweiz den Umweg übers Ausland nehmen, um in den anderen Markt zu kommen. Also Joël Dicker war irgendwie in Frankreich großer Star, kein Mensch. In der Westschweiz kannte man ihn, niemand kannte ihn in der Deutschschweiz.
Dann wurde er in einem deutschen Verlag übersetzt, war Spiegel Bestseller. Und dann haben die Deutschschweizer gemerkt, oh, da gibt es ja noch einen interessanten, berühmten Schweizer Schriftsteller.
Und bei mir war es eigentlich genauso.
Die Westschweiz hat mich überhaupt nicht wahrgenommen, dann Pariser Verlag, der meine Bücher auf Französisch rausbringt, dann französische Presse und dann fing es langsam so in der Westschweiz. Das ist schon sehr speziell.
Corinne:Gibt es denn Themen, die besonders in der Schweiz laufen?
Jonas:Das weiß ich nicht, aber eben über so Sachen denke ich auch irgendwie nicht so nach. Also ich finde ja auch schwierig zu sagen, es gibt so was wie eine Schweizer Literatur. Ich finde, die Schweizer Literatur ist extrem vielfältig.
Da hat vieles gar nicht miteinander zu tun. Da gibt es dann wenige, wo ich sagen würde, doch, die sind mir sehr nah.
Anya:Sag mal, wer ist dir nah? Von den Schweizer Autorinnen und Autoren, egal ob Gegenwartsliteratur oder von den Klassikern.
Jonas:Also von den Klassikern ist es natürlich sowohl Fritsch wie Dürrenmatt, die für mich wichtig sind jetzt in der Gegenwartsliteratur.
Jemand, den ich wahnsinnig gerne lese und bewundere, ist die Dorothee Elmiger, die ich unglaublich gut finde, wo ich irgendwie, also die schreibt ja nicht wie ich, aber ich habe irgendwie das Gefühl, wir wollen etwas Ähnliches.
Anya:Ihr seid auch im gleichen Verlag zu Hause.
Jonas:Jetzt sind wir auch noch im selben Verlag. Ich weiß nicht, ob sie das auch so sieht, aber ich sehe zumindest irgendwie eine Nähe.
Und dann bin ich natürlich auch thematisch manchmal jetzt auch gerade im neuen Buch, gar nicht so weit weg von Christian Kracht.
Da gibt es schon auch, obschon wir ganz anders wieder auch schreiben und ganz anders sind und so, aber da gibt es schon etwas an seiner Literatur, die mich interessiert, weil es mich an meiner Literatur interessiert.
Anya:Kennt ihr euch? Begegnet ihr euch manchmal?
Jonas:Ja, manchmal sporadisch, aber manchmal.
Und Lukas Baerfuss ist sicher auch jemand, der mehr auch in seiner Art das Schriftstellerdasein als Lebensform zu verstehen und das Politische und so, da denke ich schon immer, dass wir irgendwie was Ähnliches wollen.
Anya:Hast du den Film gesehen. Das ist jetzt ein Film über Lukas Barfuß.
Jonas:Ja, den habe ich noch nicht gesehen. Nein.
Anya:Wann gibt es einen Film über dich?
Jonas:Es drängt mich nicht. Es drängt mich nicht. Ich weiß auch nicht. Ich mein, Lukas hat halt auch irgendwie eine sehr interessante Lebensgeschichte.
Der hat einen sehr interessanten Weg hinter sich gebracht, der auch erzählt werden soll. Das ist auch gut, dass der erzählt wird und dass man das sieht, dass man aus diesem Milieu wo ganz anders hin kann und so.
Anya:Er erzählt das ja schon auch in seinen Büchern. Also es hätte den Film nicht gebraucht, um das zu erzählen.
Jonas:Das stimmt. Aber man erreicht dann halt, glaube ich, ein anderes Publikum damit.
Ich verstehe das und im besten Fall, wenn der Film gut ist, fangen Leute an, seine Bücher zu lesen, die vorher.
Anya:Nicht gelesen haben oder seine Theaterstücke. Schreibst du Stücke, auch grammatische Texte?
Jonas:Im Moment nicht.
Ich habe es versucht und bin irgendwie auch so ein bisschen gescheitert daran und denke aber, dass ich es irgendwann vielleicht wieder aufnehme, weil ich bin eigentlich sehr nah am Theater dran.
Meine Frau ist Theaterregisseurin, ich mag das Theater sehr, aber ich stecke so ein bisschen in einem Dilemma beim Theaterschreiben, weil ich mich wahnsinnig schwer tue mit der direkten Rede. Das gibt es ja auch in meinen Büchern eigentlich nie.
Und immer wenn ich direkte Rede schreibe, also Dialoge schreibe, kommen sie mir entsetzlich banal vor, was halt auch oft leider der Fall ist.
Und ich will mich aber trotzdem nicht in irgendwelches Textflächentheater retten, das ich zwar auch mal unter Umständen gut finde, wenn es gut gemacht ist, aber ich hätte interessanterweise eigentlich schon den Anspruch dann, es wird zwar heute im posttraumatischen Theater als Schimpfwort benutzt, aber ein Wellmade Play zu machen in gewisser Weise. Also muss jetzt nicht Jasmin Reza mäßig sein, aber trotzdem ein Stück mit einer Dramaturgie und fürs Theater gearbeitet, auch in der Sprache und so.
Und da habe ich für mich noch keinen Weg gefunden.
Corinne:Wie hast du es denn mit Kooperationen? Also ich meine, gerade Theaterstücke oder andere Projekte sind ja auch immer Dinge, die man mit anderen zusammen vielleicht auch realisieren kann.
Fällt dir das leicht oder bist du ein Einzelweiberkämpfer?
Jonas:Ich nicht so gut. Also ich brauche zum konzentrierten Nachdenken Ruhe, ich brauche sehr viel Zeit zum Schreiben.
Ich bin ganz schlechter Auftragsschreiber, sobald ich eigentlich eine Deadline habe, dann mache ich schon irgendwie zu und werd krampfig. Also die Albtraumvorstellung für mich ist immer eine Kolumne.
Das wird mir ab und zu angeboten und nichts fällt mir so leicht abzulehnen wie eine Anfrage für eine Kolumne, weil das wäre mein Untergang, wenn ich wüsste, ich muss irgendwie jeden Donnerstagabend so und so viele Zeilen abliefern, Es sei denn.
Anya:Eine Maschine könnte diese Arbeit für dich übernehmen.
Jonas:Ja, ja, aber dann wäre es ja auf andere Art und Weise peinlich, oder? Dann müssten sie mich auch nicht fragen. Ja, im Moment würde man es, glaube ich, noch sehr rausfinden.
Ich habe gerade die Tage wieder mal mit ChatGPT gespielt, mit der neuen Version und ich war wieder mal eher underwhelmed, würde ich sagen.
Corinne:Halluziniert immer noch.
Jonas:Ja, Wahnsinn.
Corinne:Ich habe leider nur noch sehr viele ernste Fragen über Tech Bros und Corona und all. Bitte wirklich?
Jonas:Ja, natürlich, her damit.
Corinne:Ja, aber bleiben wir vielleicht bei dieser technischen Frage. Du hingst ja schon an einer Maschine, die hat dir etwas, nicht nur an einem Schläuchen und und alle Gucker, würde man sagen auf Schweizerdeutsch.
Und du hast ja schon auch ein sehr differenziertes, wahrscheinlich wohlwollendes, aber doch auch kritische Sichtweise auf die technologischen Entwicklungen und auch Verheißungen. Hat diese Corona Episode etwas daran geändert?
Jonas:Ja, in gewisser Weise schon.
Es war natürlich schon Erfahrung, derart von Technologien abhängig zu sein in so eindeutiger Art und Weise Und wirklich, also man kann, ich kann mit Sicherheit sagen, ohne die ECMO, diese Lungenmaschine, die das Blut, den Gasaustausch vornimmt, außerhalb des Körpers, ohne diese Maschine hätte ich schlicht nicht überlebt. Also das ist einfach ganz klar. Und das ist natürlich schon ein Gedanke, der mich beschäftigt, obschon ich natürlich wusste.
Ich meine, mir ist schon lange bewusst, dass wir als Menschen komplett Mängelwesen sind, die auf Technologien angewiesen sind. Also wir leben ja schon nackt, keine Nacht da draußen. Und ich habe das auch in der Literatur schon thematisiert.
Es gibt diese Szene in Kraft, wo der Kraft dieser deutsche Professor im Silicon Valley in der San Francisco Bay rudern geht und kentert und und dann abends wird es schon dunkel, der Nebel kommt und er ist dann nackt, verliert auch noch seine Badehose und ist dann nackt auf so einer kleinen Insel und sieht aber das Silicon Valley sozusagen in Griffweite, kommt aber nicht ran. Uns ist ganz klar, wenn ihn niemand rettet, die Nacht, überlebt er vielleicht nicht. Und so sind wir ja.
Also ganz ehrlich, sehr wahrscheinlich hat mir schon vorher die Technik x mal das Leben gerettet, oder?
Corinne:Also zuerst brauchen wir Mütter und dann Maschinen.
Jonas:Genau, sie werden wenig lebenswert und das ist Teil unseres menschlichen Daseins. Aber es ist natürlich dann in dieser Deutlichkeit, das zu erleben, schon noch mal etwas anderes zu wissen. Und das nimmt dann auch komische Formen an.
Ich lag in diesem Bett und ich war ja dann auch wieder bei Bewusstsein und immer noch an diesen Maschinen. Und dann lag ich da stundenlang und die Zeit ist sehr lang. Man hat auch viele Schmerzen und ist immer noch von Träumen geplagt und so.
Es ist sehr unangenehme Zeit. Und diese Nächte da sind furchtbar lang, da kommt dann auch kaum jemand rein.
Nur ab und zu kommen sie zum Gucken und leuchten allen in den Betten, in die Augen mit der Taschenlampe, um zu gucken, wo man noch da ist. Und in diesen langen Nächten fängt man dann plötzlich über diese Fragilität dieses Mensch Maschinen Daseins an nachzudenken.
Oder ich, man, ich fange da an, andere vielleicht nicht, aber ich denke dann drüber nach, was ist, wenn Strom ausfällt oder einer übers Kabel stolpert und so diese Beschreibung.
Corinne:Das war jetzt der Wachzustand. Kannst du beschreiben, wie das Wachkoma sich anfühlt, was das für ein Zustand ist?
Jonas:Ja, ich weiß nicht, ob der Begriff Wachkoma ist, glaube ich nicht richtig in dem Zusammenhang, weil es war ja ein künstlich induziertes Koma. Ich bin ja nicht ins Koma gefallen, sondern ich wurde ja ins Koma gelegt, auch um mich beatmen zu können und so.
Und dieses Kummer hat ganz unterschiedliche Phasen. Es gab sicher am Anfang eine Phase, wo die Sedierung so tief war, dass ich keine Erinnerungen hab und auch sehr ruhig war, also reglos dalag.
Und dann fangen die aber relativ bald an mit so einem sogenannten Weaning Prozess, also mit dem Abgewöhnen der Beatmung und fangen an, diese Sedierung langsam zu vermindern und einem so ein bisschen rauszuholen und gucken, was passiert. Und das ist ein Prozess, der unter Umständen relativ lang, also Wochen dauern kann.
Und in diesem Prozess ist es dann schon so, dass man wahnsinnig anfängt, ins Delirium zu fallen. Und ich war auch sehr agitiert, man wird dann ans Bett gebunden.
Das ist dann sehr unangenehm, weil ich das irgendwie zwar nicht wusste, sehr lange, irgendwann habe ich dann das auch richtig mitgekriegt, aber mein Geist schon gemerkt hat, dass ich irgendwie gefangen bin. Also diese ganzen Träume und Halluzinationen ging es dann eben sehr viel um Gefangenschaft und solche Dinge.
Das ist alles ein sehr unangenehmer Zwischenzustand, in dem die Außenwelt auch eindringt.
So komische Sachen wie ein Lüftungsgitter an so einem Serverschrank an der Wand, das dann eine riesige Rolle spielte oder auch so ein, weil ich wochenlang dann mit offenen Augen auch dalag, habe ich immer, wenn ich geradeaus geguckt habe, auf so ein Lüftungsschachtgitter geguckt. Und auch das war dann irgendwie eine obsessive Beschäftigung mit diesem Muster. Das ist aber sehr typisch.
Corinne:Eigentlich war es traumatisch.
Jonas:Ja, ja, ja, das ist sehr traumatisch.
Corinne:Hast du das irgendwie aufgearbeitet?
Jonas:Ja, ja. Ich habe relativ bald dann darauf so eine klassische EMDR Traumatherapie gemacht. Das ist, glaube ich, auch wahnsinnig nötig.
Es ist nötig, mit jemandem drüber zu sprechen, dem er das alles erzählen kann, der sozusagen professionell damit umgeht und auch irgendwie bezahlt ist, weil ich hatte auch keine Lust, das zum Beispiel mit meiner Frau komplett zu teilen. Wir haben über wahnsinnig vieles geredet, aber ich finde diese Träume, dieses Erleben, was ich da hatte, es war eben wirklich mehr wie ein Erleben.
Es sind nicht wie Träume. Es ist viel nachhaltiger und realistischer und detailgetreu. Also mit dem wollte ich auch nicht Leute belasten.
Das ist dann ein Unterschied, wenn man da mit einer Therapeutin drüber redet, deren Job das ist. Und dann ist es wahnsinnig wichtig, glaube ich, mal mit jemandem drüber zu reden, der es auch erlebt hat.
Ich war da mal auf einer Lesereise in der Türkei und ein Mitarbeiter der Schweizer Botschaft hat mich da begleitet, der selber schwer an Corona erkrankt war und nicht ganz so lange wie ich, aber irgendwie drei Wochen im Koma war. Und wir saßen also jeden Abend in irgendeiner Hotelbar und haben uns stundenlang unsere Komaträume erzählt. Und das hatte was ganz. Ja, total.
Und vor kurzem kam auch bei einer Lesung ein Herr auf mich zu und fragte mich, ob ich jemals mit jemandem hätte darüber reden können. Er hätte das nie können und er müsse immer an diese Träume denken und so.
Also der scheint das überhaupt nicht losgeworden zu sein, weil er ihnen sehr wahrscheinlich keine Therapie gemacht hat.
Corinne:Ist das Schreiben oder irgendwie vielleicht auch ein anderer künstlerischer Ausdruck, ein Ventil, sowas auch loszulassen oder eher nicht für dich?
Jonas:Ja, schreiben ist natürlich eine Form der Sublimierung. Ich glaube nicht so an das ganz therapeutische Schreiben.
Das ist nichts, woran ich glaube, weil mein Schreiben ja auch nicht ein von der Seele Schreiben ist. Mein Schreiben ist ja eher ein Bohren und Grübeln. Darüber zu schreiben war nicht leicht.
Das merkt man, glaube ich, auch dem Buch an, weil ich sehr früh wusste, ich muss mich in dieses Buch reinschreiben. Das muss sein. Ich kann nicht ein Buch über Mensch, Technik, Beziehung schreiben und diese Episode aus meinem eigenen Leben nicht beschreiben.
Das wäre einfach falsch gewesen. Es wäre intellektuell nicht redlich gewesen, es wäre schriftstellerisch verschenkt gewesen.
Und dann ist es ja schon so, dass ich mich in dieses Buch sehr langsam reingeschrieben habe und vor allem diesem Corona Thema ja eigentlich bis auf Seite, glaube ich, so 240 darum. Da fängt es irgendwann erst an.
Corinne:Aber es kommt da doch schon auch früh der erste Hinweis.
Jonas:Genau, aber das sind mal so zwei Sätze und dann kommen, glaube ich, noch mal zwei, drei Sätze Anfang des vierten Teils und dann eben. Aber es wächst so langsam in dieses Buch rein.
Anya:Aber kann man nicht sagen, dass diese Corona Erfahrung letztlich nicht doch die Keimzelle war für dieses Buch?
Jonas:Ja, eben nicht, weil ich dieses Buch tatsächlich vorher angefangen habe. Den Anfang hast du den ersten Teil davor geschrieben. Ich wollte dieses Buch schreiben. Ich wollte, es hätten ziemlich ein anderes Buch werden sollen.
Ich hab dann nach der Erkrankung vielleicht anderthalb Jahre gebraucht, um überhaupt wieder auf die Beine zu kommen, wieder zu schreiben und hab dann gelesen, was ich hatte. Und das hat sich schon fremd angefühlt, das zu lesen. Das war so ein bisschen, als hätte es ein anderer geschrieben. Das stimmt ja auch irgendwie.
Und dann war es nicht ganz leicht, da wieder einen Anschluss zu finden. Und ich musste das Buchprojekt schon in vielerlei Hinsicht umstürzen.
Also dass ich das Buch so geschrieben habe, wie ich es geschrieben habe, das hängt ganz sicher mit dieser Erfahrung zusammen. Ich glaube, auch, dass mich diese Erfahrung letzten Endes zu einem etwas unerschrockeneren Menschen und auch unerschrockeneren Autor gemacht hat.
Deswegen konnte ich das Buch so schreiben. Aber gleichzeitig wusste ich eben schon vor Corona, dass ich dieses Buch über Mensch Maschinen Beziehungen schreiben will.
Und das ist natürlich verrückt.
Und es ist noch verrückter, dass ich dieses Kapitel über diesen algerischen Soldaten, der in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges zu ersticken droht, an einem Giftgasangriff geschrieben habe und der dann mit vernarbter Lunge rauskommt. Und kurz nachdem ich das geschrieben hatte, erkranke ich selber an einer Krankheit, an der ich zu ersticken drohe.
Das ist dann einfach, ich neige dazu, es Schriftstellerglück zu nennen, aber das ist.
Corinne:Natürlich etwas absurd Resilienz, dass du das so drehen kannst. Hast du heute noch Beschwerden? Kämpfst du noch damit oder bist du völlig erholt wieder?
Jonas:Ich habe so ein bisschen eben eine vernarbte Lunge, die mir schon manchmal ein bisschen zu schaffen macht, aber im Alltag nicht. Aber so den Rosenberg hoch merke ich es dann ein bisschen genau.
Also ich kann nicht mehr ganz so in die Berge, wie ich das früher getan hab, aber insgesamt ist es relativ gut ausgegangen.
Anya:Sag uns doch zum Abschluss noch etwas zu diesem schönen Cover. Was ist das für eine Figur da vorne drauf, die in diesem gleißend gelben Licht den Weg weist nach wohin auch immer.
Jonas:Das ist der König Lud, der Ned Lu, der eben auch im Buch eine Rolle spielt. Das ist eine historische Darstellung einer fiktiven historischen Figur. Es gab eben anfangs des 19.
Jahrhunderts in Großbritannien ein ein Weberaufstand einer Maschinenstürmergruppe, die sich auf einen Ned Lud oder King Lud, manchmal auch Captain Lud bezogen hat, der angeblich mit einem Hammer zwei Webstühle zerschlagen hätte. Man geht aber davon aus, dass er gar nicht existiert hat.
Und diese Gruppe hat angefangen, Webstühle zu zerschlagen und Drohbriefe an Fabrikanten zu schreiben im Namen dieses Nedlut. Und daraus hat sich der Name der Luditen ergeben. Das ist eben diese Bewegung, die sich in England recht schnell ausgebreitet hat.
Und das House of Lords hat ganz hart reagiert mit einem extra Gesetz, wo sie also alles Zerschlagen von Maschinen, Zerstören von Webereienrichtungen unter Todesstrafe gestellt hat. Und heute ist seltsamerweise der Begriff des Luditen ein ganz anderer geworden.
Vor allem im Angelsächsischen ist das eigentlich ein Schimpfwort für einen Technikfeind.
Also gerade wird gerne im Silicon Valley benutzt für Leute, die jetzt nicht alles so wahnsinnig toll finden, was da an Technologie rauskommt, heißt es du bist doch ein Luditt. Und das ist eine sehr absurde Verschiebung dieses Begriffs, weil die Luditten waren keine Technikfeinde.
Sie hatten etwas gegen schlechte Arbeitsbedingungen.
Corinne:Das war eigentlich eine Klassenfrage.
Jonas:Ja, natürlich. Es war eine Frage des Arbeitskampfes.
Anya:Wenn du jetzt eine Maschine zerschlagen würdest, wollen könntest, könntest, wenn wir hier einen Hammer hätten und du dir eine Maschine holst, die du zerstören möchtest, was wäre? Das.
Jonas:Ist eine total interessante Frage und eine ganz schwierige Frage. Also das Problem ist ja an den Maschinen und deswegen war ja diese Bewegung auch zum Scheitern verurteilt.
Die Maschinen, man kann sie immer nachbauen. Es gibt ja keine Maschine, die man nicht nachbauen könnte. Man kann Kunstwerke zerschlagen und die sind dann weg.
Aber das ist eben der große Unterschied. Aber ich kann so viel dazu sagen.
Es gibt von Thomas Pynchon, dem großen unbekannten amerikanischen Romancier, gibt es einen Essay aus den ganz frühen ER Jahren mit dem schönen Titel Is it okay to be a ludite?
Und da stellte er schon Anfang der ER Jahre die Was ist, wenn sich die künstliche Intelligenz entwickelt, die damals eher noch ein Konzept war und sehr, sehr in den Anfängen steckte.
Was, wenn sich eine künstliche Intelligenz entwickelt, Stellt sich dann die Frage, ob wir nicht Luditen werden müssten und zwar im alten, ursprünglichen Sinne. Stellt die sich nicht dann ganz dringend? Und das ist wahrscheinlich die Frage, die mich auch beschäftigt mit dem Zerschlagen von.
Corinne:Maschinen, die wir vielleicht jetzt auch mitnehmen sollten und noch ein Weilchen darüber nachdenken. Vielen Dank, Jonas Lüscher, dass du in unserem Podcast warst. Vielen Dank auch Anja Schutzbach vom Literaturhaus St.
Gallen und diese Kooperation war schön.
Anya:Mit euch zu sprechen. Alles Gute, Jonas, für das Buch, für dich, deine weiteren Reisen, den Abend heute, die Abende, die Folgen und bis bald.
Jonas:Sehr gerne. Vielen Dank.